Marcus Fliegel: Ich möchte zunächst über den Mann hinter „Black Gold" sprechen. Der Produzent Tarek Ben-Ammar hat seit Jahren versucht, den Film zu machen und bekam viele Ablehnungen. Wie hat er sie überzeugt, den Film zu drehen ?
Jean-Jaques Annaud: Ich war schon vorher überzeugt. Ich kam zu ihm , weil ich an einem Projekt arbeitete, das in Libyen im frühen 19. Jahrhundert spielt. Ich wollte etwas machen, dass mich in diese Welt führt, die vergessen wurde: Arabien. Daran habe ich seit 20 Jahren recherchiert. Als ich Tarek traf, war er Co-Finanzier für dieses Projekt „Tripolis", das jetzt vielleicht Ridley Scott machen wird. Er sagte „ es gibt da etwas das du lesen solltest, eine faszinierende Geschichte, geschrieben von einem Deutsch-Schweizer, der dafür jahrelang recherchiert hat. Seine Geschichte ist inspiriert von der wahren Geschichte Ibn Saud´s (Gründer von Saudi-Arabien). Es ist so gut recherchiert, dass es eines der besten Bücher über diese Welt ist." Ich war mit meiner Familie gerade auf dem Weg nach Oman und las das Buch auf einer Düne im Sonnenuntergang, sehr romantisch. Ich rief ihn an und sagte: „Pass auf, bevor ich den Film in Libyen mache, möchte ich das hier drehen". Es ist ein tolles Projekt und dass die Hauptfigur, ein junger Mann, ein junger Prinz, zwischen zwei Vätern steht - das ist mir auch passiert. Ich hatte zwei Väter, einen der mich gezeugt hat und einen der mich erzogen hat. Dadurch war mir die Geschichte sehr nahe und entsprach den Themen die ich mag, Themen wie Modernität gegen Tradition. Und das ist etwas womit die Region immer noch ringt. Ich fand das wäre eine universelle Fabel, die mir erlaubt die Zuschauer in eine unbekannte Welt zu führen.
Marcus Fliegel: Ich kannte den Autor Hans Ruesch nicht. Ist er tatsächlich in Arabien gewesen oder entstammt die Geschichte nur seiner Vorstellungskraft wie bei Karl May, der ja auch nie bei den Indianern war war ?
Jean-Jaques Annaud: Er war im Grunde jemand der Nachforschungen vorzog. Er lebte in den Bergen und las alles mögliche über Ethnologie. Er hatte vorher ein Buch über die Inuit geschrieben, die Eskimo. Ich glaube dort ist er auch nicht hingefahren. Aber es ist eins der besten Bücher über die Inuit-Kultur.
Marcus Fliegel: Im Film war ich überrascht wie farbenfroh sie Arabien beschreiben, ich habe mit schwarzen Köstümen für die Touareg gerechnet, mit weiß für die Saudis - aber bei ihnen ist das alles viel bunter. Wieviel davon ist Fantasie ?
Jean-Jaques Annaud: Das erste was ich gemacht habe war ins Museum zu gehen, wo ich 2000 Farbfotos fand, die zu Beginn den 20. Jahrhunderts aufgenommen wurden. Den Leuten ist meist nicht klar wie abwechslungsreich Arabien ist. Vielleicht erfahren sie es langsam übers Fernsehen, dass es verschiedene Stämme gibt. Es ist ein Kontinent. Einige Leute wurden vom ottomanischen Reich beinflusst. Die tragen noch die Kleidung, die die Türken im 18.Jahrhundert benutzten. Dann gibt es andere Kulturen wo die Männer weiß und die Frauen schwarz tragen. Im Film sieht man, dass eine Gruppe ist von einem mittelaterlichen Stil geprägt ist... einige tragen einen Turban, andere ein Schesch (Kopftuch). Arabien war bis 1960 so kontrastreich wie Europa im 19. Jahrundert. Als Kind war ich in der Bretagne, es war fast zu Fuß zu erreichen und doch fremd, dort gab es Frauen mit hohen Frisuren die wie Aliens wirkten. Die Menschen wissen nichts über die Welt, darum war ich so erpicht darauf, diesen Film zu machen.
Marcus Fliegel: „Black Gold" ist der erste große Film, der in Katar gedreht wurde - teilweise auch in Tunesien, aber dazu kommen wir noch. War es nicht schwer ein Film diesen Maßstabs in einem Land zu drehen, dass damit keine Erfahrung hat ?
Jean-Jaques Annaud: Das habe ich schon oft gemacht. Meinen allerersten Film habe ich an der Elfenbeinküste gedreht. Das war dort der erste Spielfilm. Meinen Film über Tiger, „Zwei Brüder" habe ich in Kambodscha gedreht. Als ich „Der Liebhaber" in Vietnam drehte hatte man dort seit 40 Jahren keine Kamera angefasst oder einen Film gemacht. Ich habe also Erfahrung damit und es ist sehr aufregend, denn ich teile gerne. Entweder dreht man mit erfahrenen Leuten, die schon alles kennen. Oder man dreht mit ein paar erfahrenen Älteren, die darauf gespannt sind, mit neuen, jungen Leuten arbeiten, die dir ihre Leidenschaft geben. Und das habe ich in Katar und Tunesien bekommen.
Marcus Fliegel: Als sie in Tunesien waren, brach dort der sogenannte arabische Frühling aus, die „Jasmin-Revolution". Das ist ein seltsamer Zufall, weil es die Geschichte des Films widerspiegelt. Aber bestand nicht auch die Gefahr, dass sie die Dreharbeiten einstellen müssten ?
Jean-Jaques Annaud: Die Gefahr gab es, aber ich habe sie persönlich nie gefühlt. Ich vertraute meinen Schauspielern, meinen Komparsen, meinem Team und ich vertraute den Menschen, dem Land. Es gab keine Feindseligkeit gegen den Westen, gegen die „Kolonialisten", gegen die Franzosen oder gegen Christen, absolut nichts derartiges. Es war eine Revolution von jungen Leuten, netten Leuten. Sie sagten „Genug! " zu einer Familie, die den Reichtum des Landes stahl. Es war sehr emotional. Ich weiß nicht ob ich sagen darf es war toll. Mir war nicht klar, dass die Leute so in das Projekt verliebt waren. Sie wollten dafür sorgen dass unser kleiner Dampfer in diesem Sturm nicht in Seenot geriet, dass wir weitermachen. Nach all der Aufregung war ich nur zwei Tage über dem Zeitplan, weil die Leute es hinkriegten, noch besser zu arbeiten. Das war sehr bewegend. Im Film hatte ich schon gesehen, wie die Sieger, die Armee des jungen Prinzen in die Stadt kommt und den alten Emir absetzt. Während ich das drehte, erfuhr ich am Telefon, dass zurselben Zeit Ben Ali (Tunesiens alter Machthaber)mit fast denselben Worten und denselben Gründen aus dem Land gejagt wurde. Es war für uns alle sehr ermutigend, denn es gab dem Film, den wir machten eine Bedeutung.
Marcus Fliegel: Für ein Epos, das auch eine Hommage an „Lawrence von Arabien" ist, sind 130 Minuten eigentlich ziemlich kurz. Planen sie noch eine längere Fassung von „Black Gold"?
Jean-Jaques Annaud: Ich mag kurze Filme. Ich denke immer die Leute müssen nach Hause, weil ein Babysitter wartet. Natürlich hätte ich den Film fünf Stunden lang machen können. Ich haben einige extreme schöne Einstellungen, die länger hätten dauern können , aber finde immer, wenn ich meine Geschichte in kürzerer Zeit erzählen kann, ist es wahrscheinlich besser. Ein berühmter Autor in Frankreich kam einmal zu seinem Verleger mit einem sehr dicken Buch und er sagte: „Es tut mir leid, ich hatte keine Zeit, es kurz zu machen."
Jean-Jaques Annaud hat einen Film mit tollen Bildern abgeliefert. Im Interview erklärt er euch, wie es zu diesem Projekt kam und wieviel Herzblut und Detailrecherche in diesem Film steckt.