Between The Lines Filmtipp

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96 Min

„Between the Lines“ erzählt in farbenprächtigen, großartigen Bildern sehr einfühlsam über das dritte Geschlecht Indiens und wurde bereits auf vielen Festivals ausgezeichnet.

Der Film begleitet die Fotografin Anita Khemka, die als moderne, emanzipierte Frau die Welt der Hijras, des dritten Geschlechts Indiens, erkundet. Zwei Welten prallen aufeinander, die moderne Welt, die sich stetig verändert, sowie die Welt der Hijras, die einer vergangenen Zeit anzugehören scheint. Sie leben seit Jahrhunderten als Außenseiter am Rande der Gesellschaft ein Dasein voller Widersprüche: Hijras sind unfruchtbar, trotzdem haben sie in den Augen vieler Inder die Gabe, Fruchtbarkeit zu spenden. Sie sind auf Spenden und Einnahmen aus Prostitution angewiesen. Die einzige Freiheit die sie verteidigen können, ist die, dass sie weder Mann noch Frau sind. Drei dieser besonderen Menschen begleitet die sympathische und renommierte Fotografin in „Between the Lines“:

DIE FIGUREN

LAXMI

Laxmi, eine laute und auffällige „Femme fatale“, lebt in der Vorstadt von Bombay ein aufregendes Doppellleben: auf der einen Seite ist sie Raju, ein scharfsinniger junger Bollywood-Choreograf, der noch bei seinen Eltern wohnt. Und auf der anderen Seite ist sie Laxmi, die sich einen Platz an der Spitze einer Gruppe von Eunuchen-Prostituierten erkämpft hat.

RHAMBA

Rhamba sieht aus wie aus einem Modemagazin. Sie lebt in einem Tempel und bettelt auf den Straßen von Bombay. Tatsächlich ist sie ein Mann, der im Alter von 10 Jahren kastriert wurde. Nachts arbeitet Rhamba als Go-Go-Tänzerin in einem Tanzclub. Sie hofft, dort genügend Geld verdienen zu können, um auf dem großen Eunuchenfestival ihren Freund heiraten zu können.

ASHA

Asha ist diejenige die Anita in die Welt der Hijras einführt. Nach 17 Jahren Prostitution streift sie heute an den Stränden Bombays umher und „segnet“ verliebte Paare, die bereit sind, dafür zu zahlen – alle anderen werden von ihr verflucht.

ANITA KHEMKA

Anita Khemka gelingt es als Frau und Inderin, den Hijras sehr nahe zu kommen. Zusammen mit ihr folgen wir den drei Protagonistinnen und gehen auf eine Reise, die in eine bizarre und faszinierende Welt führt.

DER REGISSEUR - THOMAS WARTMANN

Thomas Wartmann, geboren 1953, studierte Journalismus in München und anschließend Filmregie in Los Angeles am „American Film Institute“. Nach mehreren Regieassistenzen reiste er als Journalist für Printmedien (GEO, Trans Atlantic, Stern, Tempo, Merian, etc.) durch Asien, Afrika und Südamerika. Seit 1994 hat er als Regisseur und Autor über 25 Dokumentationen und Reportagen entwickelt und realisiert.

Besonders mit einigen seiner letzten Filme über das Weltkulturerbe, Lehmarchitekturen oder das Nomadentum in Afrika und Asien gewann er auf internationalen Festivals Preise. Sein erster Kinodokumentarfilm „Between the Lines – Indiens drittes Geschlecht“ feierte im August 2005 seine Weltpremiere in der Reihe „Semaine de la Critique“ in Locarno.

Thomas Wartmann lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München.

Filmografie: (Auswahl)

Lebendiges Erbe – Das Geheimnis des Andenheilers– Die Naturmedizin der Kallawaya
D 2006, 45/52 min col., Digi Beta, in Zusammenarbeit mit Richard Ladkani;

Produktion: Filmquadrat mit SWR/Arte

Lebendiges Erbe – Mexiko Totenfest mit Zuckerguss und Pappmaché
D 2006, 45/52 min col., Digi Beta, in Zusammenarbeit mit Joanna Michna;

Produktion: Filmquadrat mit SWR/Arte

Between the Lines – Indiens drittes Geschlecht
D 2005, 96 min, col., 35mm;

Produktion: Filmquadrat mit SWR/Arte

Lebendiges Erbe – Jenseits von Samarkand– eine usbekische Liebesgeschichte
D 2005, 45 min, col., Digi Beta, in Zusammenarbeit mit Lisa Eder;

Produktion: Filmquadrat mit SWR/Arte

Hinter dem Horizont - Timbuktu und das Nigerdelta, mit T. Riedelsheimer
D 2002, 2x45 min, col., Digi Beta;

Produktion: Filmquadrat für BR

Geld oder Leben - Die Geschichte des Bankraubs
D 2001/02, col., Digi Beta;

Produktion: DocStation mit SWR/ARD

Die Suche nach dem 6. Sinn
D 1998, 50min, col.,

Produktion: GEO/Arte

KAMERA - THOMAS RIEDELSHEIMER

Thomas Riedelsheimer, geboren 1963 studierte an der Filmhochschule in München und arbeitet als freier Filmemacher, Kameramann und Editor. Obwohl er mit allen Film- und Videoformaten vertraut ist, arbeitet er besonders gerne auf Super 16. Seine Filme behandeln ein weites Spektrum an Themen und er konzentriert sich besonders auf abendfüllende Filme, die auch für das Kino geeignet sind.

Thomas Riedelsheimer hat viele nationale und internationale Auszeichnungen für seine Regie- und Kameraarbeit erhalten und gibt Seminare an Filmschulen. Sein bekanntester Film Rivers and Tide über den Künstler Andy Goldsworthy spielte allein in den USA 2,5 Millionen Dollar ein und wurde weltweit gezeigt. Thomas Riedelsheimer lebt in München, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist Mitglied der Deutschen und der Europäischen Filmakademie.

Filmografie: (Auswahl)

Between the Lines - Indiens Drittes Geschlecht

von Thomas Wartmann, 2005, 95min, Filmfest Locarno (Kamera und Schnitt)

Oktoberfest

von Johannes Brunner, Spielfilm, 2005, 120min (Kamera)

Am Rande der Zeit

von Stefan Tolz, 2001, 90min, diverse Festivalpreise, Grimme Preis Nominierung (Kamera und Schnitt)

Touch the Sound – A Sound Journey with Evelyn Glennie
D 2004, 97min, col., S16mm
Kritkerpreis Locarno, BAFTA Scotland Award, Hauptpreis Leipzig, Nom. Europäischer Dokumentarfilmpreis, Deutscher Filmpreis (Regie, Kamera)

Rivers and Tides– Andy Goldsworthy Working With Time
D 2001, 90 min, col., S16mm, Deutscher Kamerapreis 2001, 2 x Deutscher Filmpreis, Preis der deutschen Filmkritik, 2 US Kritikerpreise, San Francisco Hauptpreis, Montreal Art Film Hauptpreis (Regie, Kamera)

Metamorphosen - Drei Begegnungen mit dem Tod
D 1997/98, 45 und 93 min, col., Digi Beta 16:9, ZDF und 3 Sat, Filmförderpreis München, Nominierung: Deutscher Kamerapreis

Lhasa und der Geist Tibets - Schauplätze der Weltkulturen
D 1996/97, 60 min, col., Digi Beta 16:9 (Regie und Kamera für den BR)

"Dann werden Sie schon schießen...“ Drei Monate Grundausbildung bei der Bundeswehr
D 1988/89, 60min, col., SP Highband, ZDF " Das kleine Fernsehspiel", 3 Sat, Nominierung Grimme Preis 1991

AUSFÜHRENDER PRODUZENT - MARKUS BREIMAIER

Nach dem Studium der Medienwirtschaft in Wiesbaden und an der Filmhochschule ESAV in Toulouse arbeitete Markus Breimaier zunächst im Rahmen des Europäischen Medienförderungsprogramms MEDIA in Brüssel, danach als Berater in einer Managementberatungsfirma und später für den Bereich Film und TV Finanzierung bei der Bavaria Film GmbH.

DIE PRODUKTION - FILMQUADRAT

Filmquadrat wurde im Jahr 2002 von den Dokumentarfilmern Thomas Riedelsheimer,
Stefan Tolz und Thomas Wartmann als Produktionsplattform gegründet, um gemeinsam Ideen für die Zukunft zu entwickeln und flexibel mit Kollegen und Redakteuren zusammenarbeiten zu können.

Bei Filmquadrat können Filmemacher und Autoren Mitverantwortung übernehmen, aber auch Erlösbeteiligungen erhalten. Heute ist Filmquadrat eine der führenden Produktionsfirmen für kreative Dokumentarfilmprojekte mit ausgezeichneten Kontakten zu Filmförderungen und Fernsehredaktionen im In- und Ausland.

Die Geschäftsführer von Filmquadrat sind selbst angesehene Filmemacher, die nach wie vor eigene Projekte mit Filmquadrat realisieren. Thomas Riedelsheimer hat mit seinem Film "Rivers and Tides – Andy Goldsworthy working with Time" einen hoch gelobten und mehrfach ausgezeichneten Kinohit in Europa und den USA geschaffen. Thomas Wartmanns Hochglanzdokumentationen führen eine große Zahl Fernsehzuschauer um die ganze Welt und werden auf internationalen Filmfestivals gezeigt und Stefan Tolz mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilm „Am Rande der Zeit“ wurde zu einem heiß gehandelten Tipp für Kinoliebhaber.

Mehr Informationen unter: www.filmquadrat.de

Filmografie:

2006:

eBay World Dokumentarfilm Tolz, Vetter

Nomaden – 3 Filme Dokumentar Reihe Wartmann

Lebendiges Erbe Dokumentar Reihe Ladkani, Wartmann

2005:

Between the Lines Dokumentarfilm Wartmann

Die Suche nach dem Glück Dokumentar Reihe Dittert

2004:

Touch the Sound Dokumentarfilm Riedelsheimer

2003:

Shomal-Riviera der Mullahs TV Spielfilm Tolz

Hinter dem Horizont- das Nigerdelta Dokumentarfilm Reihe Riedelsheimer,

Wartmann

DIRECTOR´S NOTE

Anfangs war ich eher skeptisch. Zu fremd erschien mir diese Zwischenwelt, komplett unzugänglich: weibliche Seelen in männlichen Körpern, manieriert, schrill, obszön, provokant, immer umgeben von einem Hauch von Skandal. Ein Freund warnte vor ihren Lebensgeschichten. Die wären meist frei erfunden, und eigentlich ginge es ihnen nur ums Geld.

Die ersten Recherchen in Delhi, Bombay, Bangalore brachten keine wirkliche Nähe. Sie feierten ihre Kastration als Neugeburt, die Entscheidung weder Mann noch Frau zu sein, als große Freiheit. Neuer Name, neue Stadt, neues Leben - Menschen, die einen radialen Schritt vollzogen, ihre Identität gewechselt hatten. Endgültig und radikal, für mich kaum nachvollziehbar.

Schon immer hatte mich der Gedanke beschäftigt, wie es wäre, ein anderer zu sein. Aber mehr als intellektuelle Überlegung, eher theoretisch. Hier bewegte ich mich auf einem sehr handfesten und komplexen Terrain, in einem versteckten, korrupten Universum aus Bettelei und Prostitution. Die Hijras leben seit Jahrhunderten im Halbschatten der indischen Gesellschaft, einer verschlossenen Welt, zu der ich als Fremder, und vor allem als Mann, nie Zugang bekommen würde.

Ich wollte keinen Film über Hijras machen, eher mit ihnen, von innen heraus, ohne allwissenden, erklärenden Kommentar. Auf die Dichte der Begegnungen sollte es ankommen, nicht auf die journalistische Vollständigkeit.

Dann begegnete ich Anita Khemka, einer Fotografin, einer Inderin – und vor allem einer Frau. Mit ihr hatte ich meinen Zugang gefunden. Sie kannte das ´dritte Geschlecht´ und beherrschte die Fähigkeit, sich behutsam, ohne Voyeurismus in die Welt unserer Heldinnen hineinzufragen. Rhamba, die unheilige Heilige, Laxmi, die messerscharfe femme fatale und Asha, der gebrochene Engel, durch Anita wurden sie mir transparenter, vertrauter. Mit Anita als Komplizin konnte die Arbeit beginnen...

Thomas Wartmann

PRESSESTIMME

Um in ein verstecktes Universum vorzudringen, braucht es in der Regel Führer, die das Terrain kennen. Speziell dann, wenn man als Regisseur ein komplexes und mehrdeutiges Gebiet ohne Vorurteile erkunden möchte, ist man auf zuverlässige, diskrete Hilfe angewiesen.

Thomas Wartmann hat zwar die halbe Welt bereist - doch in Indien ist er ein Fremder, und, in diesem Zusammenhang nicht unwichtig: ein Mann. Um zur Welt der Hijras Zugang zu erhalten, vertraute er sich einer Frau an, die jenes "dritte Geschlecht" bereits kannte, das seit Jahrhunderten an den Rändern der indischen Gesellschaft lebt und von dem man zwar nicht spricht, das aber doch seltsam präsent zu sein scheint.

Die junge Fotografin Anita Khemka ist mehr Komplizin als Führerin, aufmerksam und selbst manchmal erstaunt, wenn es darum geht, die drei Protagonistinnen jenseits der dick aufgetragenen Schminke, der auffallenden Kleider und des aufdringlichen Händeklatschens näher kennen zu lernen. Asha, Rambha und Laxmi sind sehr verschieden und Anita scheint interessierter daran zu sein, ihnen zuzuhören, als sie zu fotografieren.

"Mit den Menschen zu sprechen, in ihre Geschichte und ihr Leben einzutauchen, ihnen von mir zu erzählen, ohne mich um Grenzen zu kümmern, die man nicht überschreiten sollte, sie zu provozieren - oft absichtlich - ist wie mit jemandem zu flirten, seine Antworten abzuwarten - aber immer mit der totalen Aufrichtigkeit." Genau so arbeitet Anita: Sie ist omnipräsent und gleichzeitig transparent.

Dank ihr und der intensiven Bilder Thomas Riedelsheimers verwandelt sich der Film in eine Chronik unvermuteter Begegnungen: Jener zwischen einer indischen Frau, lebend in einer modernen Welt, die sich dauernd verändert, und drei Hijras, die einer vergangenen Zeit anzugehören scheinen. Sie sind Dienerinnen der Göttin Bahuchara Mata; wer von ihr gesegnet ist, hat die Macht des bösen Blicks - aber auch die Kraft, männliche Kinder nach der Geburt zu segnen. Sie leben im Halbschatten der Gesellschaft, zum Betteln und zur Prostitution gezwungen. Nur in ihren Gemeinschaften, in denen die Familienzelle durch die Mutter-Guru und die Tochter- Chela nachgebildet wird, oder während ihres großen jährlichen Festes, ist ein kleiner Abglanz von jener Geborgenheit zu spüren, die sie für immer verloren haben.

Asha, Rambha und Laxmi sind außergewöhnliche Menschen. In modellierten Körpern ("Ich möchte Kleopatra sein" vertraut Laxmi Anita an) verstecken sich reine Seelen, fähig zur großen, unbedingten und tragischen Liebe zu einem Mann - aber trotz aller Demütigungen und allen Leidens sind sie stolz auf ihre Freiheit des "Nichtseins". "Ich hoffe, als Hijra wiedergeboren zu werden, nicht als Mann, und nicht als Frau" bestätigt Rambha. Nachdem man "Between the Lines" gesehen hat, kann man das verstehen.“

HIJRAS IN INDIEN

Hijra nennt man Menschen, die zu einer indischen Gruppe gehören, die meistens weder eine eindeutig weibliche noch eine eindeutig männliche Geschlechtsidentität haben. Hijras leben meistens in eigenen, recht disziplinierten Gemeinschaften. Sie bilden der hinduistischen Gesellschaft entsprechende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften, denen ein Guru vorsteht, die für die materiellen und spirituellen Bedürfnisse ihrer Schülerinnen Sorge tragen muss und dafür ein Anrecht auf deren Einnahmen und Loyalität hat. Obwohl der Anschluss an eine Hijra-Gemeinschaft für viele transsexuelle Frauen und Mädchen sowie hermaphroditisch Geborene geradezu zwangsläufig ist, hat er auch stark religiöse Züge. Einige wenige Hijras versuchen nicht möglichst weiblich zu erscheinen, sondern zeigen trotz ihrer traditionell weiblichen Kleidung durchaus ein männliches Erscheinungsbild. alle verbindet die Anhängerschaft an die Göttin „Bahuchara Mata“ unter deren Schutz sie stehen und deren Kraft sie verkörpern. Hijras unterziehen sich meistens einer rituellen Kastration oder streben sie wenigstens an: Nur dann gelten sie als ganz von der Göttin angenommen und fähig wirksam zu segnen und ggf. zu verfluchen.

Traditionell verdienen Hijras ihren Lebensunterhalt durch Tanzen und Segnungen auf Hochzeiten, bei Hauseinweihungen und nach der Geburt von Söhnen. Diese Quelle von Geld und Anerkennung ist zwar immer weniger ertragreich und kann kaum mehr eine Hijra-Gemeinschaft ernähren, bleibt aber identitätsstiftend. Nur wenige andere Berufe stehen den Hijras offen, und viele arbeiten als Prostituierte.