Interview Denzel Washington zu Flight

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FILM.TV: Robert Zemeckis hat gesagt sie hätten die Rolle enorm verbessert. Sind sie oft vom Drehbuch abgewichen?

Denzel Washington: Wir haben uns zwei Wochen vor dem Dreh getroffen, über die Rolle geredet und ein paar Sachen umgeschrieben. Es gab im Skript anfangs keine Szene, in der er sich im Knast mit den anderen Süchtigen trifft. Das wurde hinzugefügt und ich liebte das. Als ob der Film eine Geschichte ist, die er erzählt.

FILM.TV: Sie haben gesagt, dass sie als Kind einen Engel gesehen haben und dass eine Wahrsagerin ihnen gesagt hat, sie würden zu Millionen Menschen sprechen.

Denzel Washington: Das ist alles wahr. Als kleiner Junge wachte ich einmal auf und sah Flügel. Als ich das Licht anmachte, verschwand die Figur langsam. Vielleicht war es auch nur Einbildung, so wie sich Kinder Monster vorstellen. Ich fragte meine Mutter und sie sagte "das war dein Schutzengel." Als kleiner Junge reicht dir die Erklärung.
Im März 1975 sagte dann eine Frau sie hätte eine Prophezeiung für mich: Ich würde die Welt bereisen und zu Millionen Menschen sprechen. Damals war ich gerade vom College geflogen. Ich wusste nicht, ob ich ihr glauben sollte aber ich tat es. Im Herbst fing ich mit der Schauspielerei an und fühlte ich, dass ich Verantwortung trage und etwas zu sagen habe. Einen Pastor habe ich Jahre später gefragt ob ich Prediger werden sollte und er meinte: “Nein, das bist du schon, du hast deine Plattform und erzählst deine Geschichte“.

FILM.TV: Also spielt ihr Glaube eine wichtige Rolle bei der Rollenauswahl?

Denzel Washington: Absolut. Ich suche immer nach einer spirituellen Wandlung der Figur. Wie gesagt, hätte Whip am Ende gelogen, hätte ich den Film wohl nicht gemacht. Aber er lügt nicht, er sagt „Gott helfe mir" und dann ändern sich die Dinge. Er fängt auf der einen Seite des Spektrums an, saufend, koksend, fluchend, kiffend mit einem nackten Mädchen, dass halb so alt ist wie er. Von da gehts bergab, bis er sich in einer Ecke wiederfindet und es keinen Ausweg mehr gibt. Wird er auf Kosten eines toten Mädchens lügen? Und da sagte er kaum hörbar "Gott helfe mir". Für mich ist das der Spannungsbogen der Figur. Er muss bezahlen. Aus meiner Sicht hätte er noch mehr bestraft werden müssen. Er sollte nicht 4 oder 5 Jahre, sondern 25 Jahre absitzen, finde ich. Auch wenn er im Gefängnis sitzt, ist er doch frei, er gewinnt die Liebe seines Sohnes zurück. Hätte er gelogen, dann würde er wohl in der Gosse enden, als betrunkener Penner. Bei „Training Day“ habe ich auf mein Drehbuchexemplar geschrieben "Der Lohn der Sünde ist der Tod". In „Training Day“ wenden sich alle Menschen von der Hauptfigur ab und als Ethan Hawke mich schlägt falle ich mit Absicht zu Boden, ich wollte am Boden kriechen wie eine Schlange. Dann tauchen diese üblen Russen auf und schießen ihn in Stücke. Das hat er verdient, denn so hat er gelebt. In der ersten Skriptfassung (von Training Day) sieht man (Detective Alonzo Harris) nicht sterben, man hört nur davon und ich sagte deshalb „der Film interessiert mich nicht“. Wenn er ein fieses Leben führt, muss er auch fies sterben, das ist die Botschaft die ich vermitteln will.

FILM.TV: Robert Zemeckis hat gesagt, er wolle mit „Flight“ keine Botschaft verbreiten.

Denzel Washington: Ich will auch nicht unbedingt diese Botschaft verbreiten, aber das ist für mich die Bedeutung des Films. Sie haben gefragt, darum sag ich es. Ich halte ja keine Rede darüber im Film.

FILM.TV: Ist das der Einfluss ihres Vaters (Denzels Vater war Pastor)?

Denzel Washington: Es ist der Einfluss meines Vaters, meiner Mutter, von Gott und vom Leben.

FILM.TV: Sind sie streng zu ihren Kindern?

Denzel Washington: Nicht so sehr wie meine Eltern mit mir. Das war eine andere Generation.

FILM.TV: Hat ihr Vater sie verhauen?

Denzel Washington: Nicht sehr oft. Meine Mutter ließ ihn nicht, weil er so groß war. Wenn mein Mutter ihm allerdings gesagt hat, er soll mich versohlen…oh,Junge ! Ich habe mal mit einem Plastik-Baseballschläger gespielt und mein Vater sagte: “Spielt nicht im Hof, ihr macht die Scheiben kaputt“. Als er weg haben natürlich sofort gespielt und „pow“, ging ein Fenster zu Bruch. Alle meine Freunde rannten nach Hause und ich saß nur geschockt da. Als Mein Vater nach Hause kam, nahm er mich dann mit in den Keller und gabs mir.

FILM.TV: Was ist ihnen wichtig im Leben?

Denzel Washington: Ein guter Vater zu sein, und beruflich die beste Arbeit abzuliefern, zu der ich fähig bin. Andere Leute haben es schwer im Leben, zahlen Geld um dem ein paar Stunden zu entkommen. Das sehe ich als meine Verantwortung. Je älter ich werde, desto härter arbeite ich.

FILM.TV: Wollen sie irgendwann in die Politik einsteigen?

Denzel Washington: Ich gehe nur nach Washington um meine Mutter zu besuchen.

FILM.TV: Sie schätzen Malcolm X, einer ihrer Söhne heißt sogar Malcolm.

Denzel Washington: Ja, aber nicht wegen Malcolm X. Das denken die Leute immer. Menschen werden so leicht eingeordnet heutzutage. Ein Cousin meiner Frau heisst auch Malcolm, deshalb heißt mein Sohn auch so.

FILM.TV: Gehen sich nach dem Dreh von „Flight“ mit anderen Gefühlen an Bord eines Flugzeugs?

Denzel Washington: Nein, es ist nur ein Film. Ich hab nicht denselben Eindruck wie jemand der den Film sieht. Ich war im Studio vor einer Greenscreen. Die Passagierkabine habe ich gar nicht gesehen, ich war gar nicht da, als das gedreht wurde. Als ich das fertige Ergebnis gesehen habe, war das schon erstaunlich, die Außenaufnahmen, die Computergrafik, das ganze digitale Zeugs.

FILM.TV: Sie könnte nach ihrer Vorbereitung für den Film wahrscheinlich selbst ein Flugzeug fliegen.

Denzel Washington: Nein,nein,ich hab nur so getan, als ob ich die richtigen Knöpfe drücke. Aber ich habe die Erfahrung im Flugsimulator geliebt. Das war aufregend und interessant. Ich habe gerade hier in Berlin in einem Airbus-Simulator gesessen – dabei bin ich abgestürzt.

FILM.TV: Wie hats Ihnen denn bei „Wetten Dass“ gefallen?

Denzel Washington: Ich hatte viel Spass, denn mein Typ hat gewonnen. Und ich hatte eine Unterbrechnung, konnte zwischendurch weg ins Kino und frische Luft schnappen denn es war verdammt warm in der Halle.

FILM.TV: Wie fanden sie den deutschen Humor?

Denzel Washington: Ich habs nicht immer verstanden, denn der Silmultanübersetzer ist immer etwas hintendran, alle lachten schon und dann kriegte ich erst die Erklärung und lachte hinterher. Mir gefiel es, weil es bodenständig war. Kleine Kinder die Kuhmilch trinken - das war süß. Es erinnerte mich an Shows aus den 50ern. Wir sind so zynisch geworden, in den USA gibt es sowas nicht.

FILM.TV: Was hat ihnen an der Rolle von Whip Whitaker in „Flight“ gefallen?

Denzel Washington: Ich mochte das Drehbuch. Es ist komplex. So eine Figur hatte ich noch nicht gespielt. Ist er gut oder böse? Ich habs gelesen und konnte nicht abwarten, was er wohl tun würde. Es fängt mit einer Katastrophe an, fast als Actionfilm und dann merkt man, oh, das ist nur die Vorbereitung für eine Charakterstudie. Das ist nicht der Film, den große Studios üblicherweise machen. Sie haben uns früh gesagt, dass sie uns nicht viel Geld dafür geben. Wahrscheinlich hatten sie damit Recht. Es zwang uns, kreativer zu sein. Man hat eben keine 100 Millionen Dollar und 80 bis 90 Drehtage. Wir hatten nur 40 Tage und 30-40 Millionen Dollar. Ich weiß nicht wie Zemeckis das gemacht hat. Es ist wohl seine Erfahrung. Er hätte allein bei der Flugszene 30 Millionen ausgeben können. Für mich war es wie Theater, eine Rückkehr zu den Grundlagen. Deshalb mag ich diese Phase meiner Karriere, jetzt wo meine Kinder erwachsen sind, kann ich auch mal sechs Monate wegbleiben und Theater spielen. Im nächsten Jahr werde ich auch wieder am Broadway sein.

FILM.TV: Würde es helfen, Alkohol zu trinken, um einen Alkoholiker zu spielen?

Denzel Washington: Man muss auch niemanden erschiessen um einen Mörder zu spielen.

FILM.TV: Was haben sie denn stattdessen getrunken und geschnupft?

Denzel Washington: Saft. Das Kokain war wohl eine Art Milchpulver, das sich in der Nase auflöst. Da habe ich den Requisiteur aber auch genau gefragt, was es ist, ob es brennt und er musste es vormachen. Geraucht habe ich Kräuterzigaretten. Die Leute fragen immer wie man sich vorbereitet, um einen Alkoholiker zu spielen. Aber Whip hält sich ja nicht für einen Trinker. Wenn ich vor diesem Interview getrunken hätte, würde ich auch nicht versuchen, einen Betrunkenen zu spielen, sondern versuchen nüchtern zu wirken.

FILM.TV: Was trinken sie selbst am liebsten?

Denzel Washington: Ich mag einen guten Wein. Einen Riesling nach dem Essen. Aber ich habe mich entschieden, nicht zu trinken während ich drehe, aus Sorge, dass ich mich zu sehr dran gewöhne.

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