Es ist die größte Mordserie in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Fast fünf Jahre lang tötete der Pfleger Niels Högel in Oldenburg und Delmenhorst Patientinnen und Patienten. Das Landgericht Oldenburg hat ihn in 91 Fällen rechtskräftig verurteilt, doch die Ermittler sind sich sicher, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. 2019 wird der Mörder zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt.
Doch wie konnte der Pfleger so lange unbehelligt töten und wer trägt noch Verantwortung? Seit Mitte Februar 2022 müssen sich erstmals acht ehemalige Vorgesetzte des Pflegers vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Totschlag durch Unterlassen sowie Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen.
„Schwarzer Schatten – Der Serienmörder Niels Högel“ in der „Story im Ersten“ befasst sich mit dieser beispiellosen Mordserie und spricht dafür erstmals mit dem Ermittler der ersten Stunde, Oliver Lenz, einer ehemaligen Kollegin, Sylvia Offermanns-Ohnesorge und seinem damaligen Freund Matthias Corssen, der erst an Niels Högels Unschuld glaubte und dann erfuhr, dass er selbst zum Opfer wurde.
Durch die von Regisseur Steffen Hudemann und Regisseurin Liz Wieskerstrauch geführten Interviews mit Angehörigen, Überlebenden, Kolleginnen und Kollegen, Ermittlern, Staatsanwältinnen, -anwälten, Expertinnen und Experten ergründet die Dokumentation, wie es zu dieser Mordserie kommen konnte und beschreibt gravierende Versäumnisse und Missstände.
Statistiken, die klar aufzeigen, dass Niels Högel bei den meisten Reanimations- und Sterbefällen im Dienst war, führen nicht zu Konsequenzen. Trotz des aufkeimenden Verdachts, dass er Patientinnen und Patienten in reanimationspflichtige Zustände versetzt, um sich bei der darauffolgenden Reanimation als Retter zu profilieren, reagieren die Vorgesetzten nicht. Ist die Vorstellung, dass ein Pfleger mordet, zu grausam? Stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund? Ist der eigene Ruf wichtiger als das Leben der Patientinnen und Patienten? Als Högel in Delmenhorst auf frischer Tat erwischt wird, handelt die Klinikleitung und schaltet einige Tage später endlich die Polizei ein – eine Verzögerung, die fatale Folgen hat.
Dem erfahrenen Ermittler Oliver Lenz ist früh klar, dass hier etwas nicht stimmt. Er vernimmt im Jahr 2005 Niels Högel, der sich in Widersprüche verstrickt. Die vom Krankenhaus angeforderten Zahlen zu Sterbefällen, Medikamentenverbrauch und Dienstzeiten der Pflegenden verstärken den Verdacht. Trotzdem geht die Staatsanwaltschaft den Hinweisen auf eine Mordserie nicht nach, verfolgt zunächst nur den einen angezeigten Fall. Der Polizei sind die Hände gebunden. Nur durch Zufall bekommt Lenz Jahre später die Gelegenheit, noch einmal neu anzusetzen.
Es dauert insgesamt 18 Jahre und drei Prozesse, bis die Mordserie von Niels Högel durchermittelt ist. Weil in den Krankenhäusern niemand einschritt, konnte Niels Högel ungestört morden. Weil die Justiz lange untätig bleib, konnten manche Taten nicht mehr aufgedeckt werden. Und einige, bei denen die Opfer überlebten, sind längst verjährt.
„Schwarzer Schatten – Der Serienmörder Niels Högel“ ist eine Kinescope Film (Produzenten Matthias Greving, Kirsten Lukaczik) im Auftrag von Radio Bremen für die ARD. Die 45-minütige Dokumentation basiert auf der vierteiligen Doku-Serie „Schwarzer Schatten - Serienmord im Krankenhaus“ von SKY Deutschland in Ko-Produktion mit Radio Bremen, die ab sofort in der ARD-Mediathek abrufbar ist.